Wofür ich die Terroristen außerdem hasse. (Und mich.)

Im Flugzeug. Komme als Letzter an Bord. Vor meinem Fensterplatz sitzt ein junger Mann. Nahöstliches Aussehen. Schaut kaum auf, als er mich durchlässt. Als Einziger in der kleinen Maschine behält er seine Jacke an. Hat das etwas zu bedeuten? Er starrt vollkommen unbeweglich geradeaus, dann und wann fährt er sich mit der Hand durchs Gesicht, an die Nase, über die Wange. Ich habe selten jemanden gesehen, der so nervös ist. Soll ich etwas sagen? Aber wem? Wir heben ab. Er knibbelt an den Fingern. Reibt sich immer wieder das Ohr, wie besessen. Außerdem schwitzt er. Warum zieht er die Jacke nicht aus? In Gedanken sämtliche Erklärungen durchspielen, es fallen mir ziemlich wenige ein. Warten Attentäter die Startphase ab, beherzigen sie die Anschnallzeichen? Wie lange bleibt mir noch? Ich warte auf die Getränke, vielleicht kann ich ihn dabei in ein Gespräch verwickeln, Scheherazade-artig immer weiter reden, um ihn aus dem Konzept zu bringen. Aber er winkt auf das Angebot der Stewardess einfach wortlos ab. Warum hat er überhaupt einen Gangplatz gebucht? Um rasch zur Tat schreiten zu können? Ich beobachte längst jede seiner Bewegungen. Sobald er sich abschnallt, werde ich ihm mit der Waffe drohen, die ich zufällig in der Hand halte: einem ziemlich weichen Bleistift. Wie kann man heutzutage überhaupt noch mit einem stumpfen weichen Bleistift in ein Flugzeug steigen? Man ist doch vollkommen wehrlos. Ich könnte ihn auf die Turbulenzen ansprechen, aber gerade da hören die Turbulenzen auf.

Am Ende nickt er ein, der Kopf fällt ihm auf die Brust, und endlich schaue ich ihn in Ruhe an. Jetzt erst erkennen, dass er eher indisch aussieht. Wie friedlich er schläft. Ein Bild vollkommener Ruhe.

Im Landeanflug spreche ich ihn dann doch noch an. Ja, entgegnet er, das Wetter sei terrible. Aber er fliege gleich weiter nach Asien, eigentlich sei er aus Neu-Delhi, wohne zur Zeit aber in Seoul, wo er für Samsung arbeite. Er war dienstlich in Graz, seine erste Reise nach Europa. Wie hoch und schön die Kirchen hier seien, er habe sie alle besucht.

»Safe travels«, rufe ich ihm nach, als wir uns verabschieden, »safe travels!«

Verdammte Angst. Verdammte falsche, idiotische Geschichten, die sie uns jetzt einzuflüstern versucht.