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Halbautomatische Übersetzungskritik

Verdammte Sch...Es sind Stimmen laut geworden, die darauf hinweisen, ein (von mir) übersetztes Buch trage im Deutschen den falschen Titel. »Verdammte Scheiße, schlaf ein« sei gar nicht die korrekte Übersetzung von »Go the Fuck to Sleep«! Die einen wünschen sich generell mehr Beischlaf, den anderen war es zu hintenrum. Und weil es kaum einen so anregenden (und preiswerten!) Zeitvertreib wie Übersetzungskritik gibt, seien hier einige der eingegangenen Alternativvorschläge zur Abstimmung gestellt.

Style Guide zum Kölner Karneval

KarnevalDas Aktuelle zuerst: Die Ölscheichs sind auf dem Rückzug. Womöglich in Reaktion auf die Unruhen im arabischen Raum. Auch die zaghaften Versuche, als Gaddafi zu punkten, vermögen den Trend nicht zu kompensieren.

Großes Thema: Anzüge. Nicht wenige der Herren kommen im Zwei- bis Dreiteiler mit Binder, was mancher Kneipe den verhaltenen Charme einer After-Work-Party verleiht. Der allergrößte Teil davon muss als Guttenberg gelesen werden, ein in der Kommunikation nicht ganz selbstverständliches Kostüm, seit der Doktorhut nicht mehr als Erkennungszeichen dient – was bleibt, erinnert stark an den Klassiker der Saison 2004, Michel Friedman.

Überraschender Re-Entry: Obelix. Hier dürfte es sich um eine Wanderbewegung ehemaliger Knut-Eisbären handeln, deren Kostüm nicht länger vermittelbar war. Gemeinsame Vorteile beider Modelle: warm im Straßenkarneval und gut geeignet, dem Bauchansatz etwas Gutes abzugewinnen.

Interessanter Neuzugang: Frieda Kahlo (»Können wir vorher noch reden?«) Ein breiter Strich schwarzer Schminke zwischen den Augenbrauen genügt.

Hübscher Neuzugang: Walderdbeere (»Können wir bitte gar nicht reden?«) Wohl eine Antwort auf die Vegetarierdebatte. In diese Kategorie fällt auch die einzeln gesichtete Cremetorte.

Die immerwährenden Klassiker: OP-Hilfe. Kleidersammlung (s. Gaddafi). »Schöne Frau«.

Zoologischer Neuzugang: Steinbock, auch bei kleineren Damen beliebt, die auf diese Weise im Trubel leichter erkennbar bleiben. Kölsche Alternative: Geißbock. Verstörendste Alternative: Steinbock auf LSD (blaue Kinderstrumpfhose ausstopfen, über den Kopf ziehen und die Beine in der Luft verknoten. Dazu trägt man eine lässig-psychedelische Grundausstattung.)

Paarkostüm, wenn offen bleibt, ob man getrennt nach Hause geht: Engelchen und Teufelchen. Paarkostüm, bei dem man zusammen bleiben sollte: Obelix und Hinkelstein. Schlumpf geht bitte nur noch für weit angereiste Besucher (»Wir haben so viel von eurem Fasching gehört!«). Was wir nicht mehr sehen möchten: Gurus. Solange das Problem des Schwebens nicht geklärt ist, lässt es sich von den zahlreichen Hippies nicht ausreichend trennscharf unterscheiden. Auch behindern die Nagelbretter andere Gäste. Ebenso erfordert der Elch im Kneipenkarneval einige Disziplin, darin dem Jesus am Kreuz vergangener Jahre nicht unähnlich.

Dahinter steckt immer ein kleiner Punkt

FAZ_05.08.2006Gespräch → in der Frankfurter Allgemeinen, was zurück zur alten Frage führt, ob es nun FAZ oder F.A.Z. heißt. Welche Müdigkeit in diesen Pünktchen liegt, als könnten die drei Buchstaben ohne ihre Stützen zur Seite kippen, ins Kursive. Aber muss man sich wirklich jede Typo-Girlande (ZEIT, taz) umhängen? Schreibt irgendjemand T.Ü.V., N.A.T.O., A.D.A.C.? Es gibt die schöne Gewohnheit, abgekürzt gesprochene Abkürzungen ungepunktet zu schreiben (USA, BMW), ausgesprochen ausgesprochene Abkürzungen dagegen mit Punkt (z.B. Dr.). Hinter den drei Dots steckt also ein dicker Kopf: Frankfurt wünscht, mit vollem Namen angesprochen zu werden …

Gerade noch mal gut gegangen

LuftballonsHeute morgen mit Schrecken bemerkt, dass hier schon viel zu lange kein Foto eines Luftballon-Zebras gezeigt worden ist. Erst recht keines, auf dem zusätzlich eine Luftballon-Giraffe zu sehen ist und am besten noch einiges mehr. Was hiermit erledigt wäre.

 

Unter dem Vulkan

Buchmesse London. Der Eyjafjallajökull ist ausgebrochen – ein Name, um jede verloren geglaubte Scrabblepartie zu drehen. Die Flüge gestrichen, sämtliche Züge durch den Tunnel ausgebucht. Also treffen wir uns am Sonntagmorgen an der Autovermietung, um uns auf eigene Faust durchzuschlagen.

In der Schlange grämen sich zwei gestrandete Spanierinnen über den Preis, da tritt ein Geschäftsmann aus Barcelona hinzu und freut sich, nicht alleine durchfahren zu müssen. Der Vulkan verbindet. Auch wir im Abenteuermodus.

Der Himmel von einem so strahlenden Blau, dass es nicht allein von den fehlenden Flugzeugen herrühren kann. Wenn das eine Aschewolke sein soll, hätte ich die gerne täglich. Nur aus den Kühltürmen der Braunkohleverstromung steigen blitzweiße Wolken auf, als wollten sie es dem Vulkan gleichtun. Die Frauen verteilen Schnittchen, ich ärgere mich, keine dabei zu haben.

L. fällt auf, dass Eigennamen beim Scrabble gar nicht zugelassen sind. Ab und an schnuppern, ob es schon nach Schwefel riecht. So müssen Entdecker sich gefühlt haben, bei der Ausfahrt, in Sichtweite zum Hafen.

In Calais reißt uns die Frau von der Autovermietung den Schlüssel aus der Hand, die Wagen müssen zurück auf die Straße, der europäische Markt sei leergefegt. Unsere Fähre ist längst auf dem Wasser. Wir hatten mit Auto reserviert, weil es anders nicht ging. Nun stellt sich heraus, dass vier Fußgänger alleine das Doppelte zahlen.

Auf dem Hafenwasser sammelt sich Schaum – endlich, die ausfallende Asche. Dabei ähneln eher die schwarzen Wolken aus dem Schornstein unserem Bild eines Vulkans. Auf See wieder Schnittchen. Ich halte meines in die Luft, bis sich eine dicke Möwe nähert, in der Luft zögert und unmittelbar vor meiner Hand wieder abdreht. Angst oder Abscheu vor dem Belag?

Man sollte niemals anders zu Buchmessen reisen. In diesen Tagen bleiben 1,2 Millionen Tonnen CO2 am Boden. Andererseits wurden gestern in Kenia 400.000 unverschickte Rosen eingestampft.

In den Kreidefelsen sitzen Dohlen, eine Trübung im strahlenden Weiß, aber auch das keine Asche. Taxi zum Bahnhof, am Telefon die heutigen Termine nach hinten schieben. Gab es nicht gerade in England einen großen Streit, weil die neuen Scrabble-Regeln Eigennamen zulassen? Die Grafschaft Kent zeigt sich von ihrer entzückendsten Seite: Auf den Weiden liegen hingestreut Schafe mit ihren neugeborenen Lämmern, von der Sonne geputzt wie Cumuli. Wie viele Wolken man an einem so wolkenlosen Tag zu sehen bekommt.

Umziehen in der Zugtoilette, zwei Autorenessen hintereinander. Nachts ins Hotel, der Portier findet keine Reservierung, immer wieder muss ich meinen Namen sagen wie ein Passwort. Wir sind beide keine Muttersprachler. Nach einer halben Stunde gibt er mir eine Kammer unterm Dach. Ich packe aus, was kaum möglich ist, so eng ist es hier. Zum Nachdenken stelle ich mich angezogen in die Dusche, um etwas Platz zu haben. Das Waschbecken so klein, dass ich die Hände einzeln wasche. Beim Einschlafen klingelt das Telefon, er habe sich geirrt, ob das Zimmer bereits in Benutzung sei. Allerdings! Morgens vor dem Fenster ein grüner Papagei, später führt mich ein stummer Angestellter ins Erdgeschoss, wo eine viktorianische Suite unbenutzt geblieben ist. Eyjafjallajökull sei Dank.

 

In der Höhle höflicher Löwen

IMG_0278-filteredDass Lüchow kein Heimspiel wird, war abzusehen. Im Publikum die Größen des Widerstands. Die Buchhändlerin begrüßt, zerrissen zwischen Gastfreundschaft und Solidarität mit ihren Kunden: Sie habe sich mit der Einladung schwer getan. Versteinert folgen sie der Lesung, höflicher Applaus. Dann die Fragen. Man stellt sich mit der Dauer der Kampfteilnahme vor, bei keinem sind es unter dreißig Jahre. Wie ich mit dem Lob der konservativen F.A.Z. leben könne. Warum kein einziger Aktivist freundlich gezeichnet sei. Ob in den Lesebüchern einmal nichts als Spott über sie stehen solle.

Nachher Grabenkämpfe, bis alle sich auf ein politisch unbescholtenes Lokal einigen können (Fleischherkunft, Mindestlohn). Zum Abschied Umarmungen. Nacht im lila Jugendzimmer der Buchhändlertochter, die längst fortgezogen ist.

 

Zum Mond!

CoverFliegen Sie zum Mond! Ab sofort noch günstiger: Für gerade mal € 8,50* bringen wir Sie hin. Holen Sie sich Ihr persönliches Ticket beim Buchhändler Ihres Vertrauens.

»Erst bei den Sternen wird das Leben anders sein – Jo Lendle hat einen großartigen Roman über die Schwerkräfte auf Erden geschrieben.«
Süddeutsche Zeitung

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