Ende der 90er, Buchmesse Leipzig, ein Mittwochabend mit leichtem Regen. Beim Streifen durch die Innenstadt lese ich auf einem Plakat, dass gleich Ilse Aichinger liest. Ich war stillschweigend davon ausgegangen, sie sei längst tot, und sitze auf einmal vor dem Lächeln dieser kleinen, strahlenden Frau. Ich hatte mit ihren »Schlechten Wörtern« lesen gelernt, wann immer ich Literatur unterrichtete, mussten die Studenten so lange Aichinger lesen, bis sie verstanden, was der Witz von all dem ist, von der Sprache, vom Schreiben.
Jetzt ist sie fünfundneunzigjährig wirklich gestorben. Ich mache – mit Dank – einen Knicks.