Liebes 2016,

entgegen einer weitverbreiteten Einschätzung war dein Problem nicht, dass ein paar verdiente Helden gestorben sind. Dein Problem war, dass Beschränktheit & Aggression schick geworden sind. Furor war die Modefarbe der Saison.

Das hat viele kalt erwischt. Man ist auf dem Toleranz-Ohr ja ziemlich ansprechbar. Was sich an Diskussionen entspann, hat manchem argumentativ ein wenig die Frisur verstrubbelt. Es ist Zeit, sich zu sammeln. Es wäre, so viel sei dir, liebes 2017, schon verraten, schön, das nicht noch einmal erleben zu müssen.
Stattdessen:
– Die »Man wird das doch noch sagen dürfen«-Masche ist vorbei. Kann man sagen. Bleibt aber falsch.
– Ebenso hat sich die Vorstellung einer Filterblase als falsch erwiesen. Ich bin niemals so vielen fremden, befremdenden Meinungen begegnet wie in diesem Jahr. Das war bisweilen anregend und oft aufregend. Ein Teil des ganzen Hasses ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass heute der Speichel sichtbar wird, der früher auf dem heimischen Sofa eintrocknete.
– Es ist keine Schwäche, verständnisvoll zu sein. Verständnis bedeutet nicht, sich auf die Zunge zu beißen. Nur eines ist noch anstrengender, als andere zu verstehen: sich selbst in Frage zu stellen.
– Das beste Mittel, um Wahrheitsfindung zu befördern und seine Urteilskraft zu stärken: Ein Zeitungsabo abschließen. Print, wegen der herrlichen Ruhe, die es ins Denken bringt. Gute Zeitungen sind, umlaufenden Beschimpfungen zum Trotz, ein verblüffend wirksames Mittel, die eigene Meinung zu bilden. Kombivorteil: Demokratie gibt’s gratis dazu. Wer ausreichend versorgt ist, verschenke Abonnements. Für Neffen und Nichten gibt es kein besseres Weihnachtsgeschenk.
– Und schließlich: Lassen wir die alten Leute in Frieden sterben. Erinnern wir uns an sie, lesen wir ihre Bücher, hören wir ihre Musik. Aber kreiden wir es dem Jahr nicht an, es kann nichts dafür. 

Auf ein Neues.