Wer nachts in London landet, mag sich fragen, ob er nicht rasch mit einem dieser Autos in die Stadt reinfährt, die heutzutage überall herumparken wie Stundenhotels der Mobilität. DriveNow, Car2go und so weiter. Meine Antwort wäre: Kann man machen. Der Name City Airport deutet an, wie zentral man gelandet ist: In die Stadt ist es ein sogenannter Katzensprung, vier, fünf Meilen die Themse hoch, kaum eine Viertelstunde und als Selbstfahrer günstiger als jede Alternative, vom Schwimmen abgesehen. Man steigt ein, über hohe Stadtautobahnbrücken geht es vorbei an der hell erleuchteten Canary Wharf durchs Hupen & Brausen von Swinging London – fast fühlt es sich an wie Ferien und tatsächlich ertappt man sich dabei, beim Fahren leise zu summen. Wie jeder Urlaub allerdings ist auch dieser viel zu schnell vorbei. Schon passiert man das Hotel, dreht einige Schleifen und findet am Ende tatsächlich einen Parkplatz.
Leider meldet das Fahrzeug, es befinde sich außerhalb des Geschäftsgebiets. Nach einigen anregenden Erkundungen findet man heraus, wen es jetzt anzurufen gilt, und der Herr von der Dienststelle erklärt, wo sich der Plan des Geschäftsgebiets findet. Das Londoner DriveNow-Geschäftsgebiet, so viel sei verraten, ist klein. Genau genommen ist es so klein, dass einen unweigerlich Mitleid überkommt. Wie kann ein solch kleines Geschäftsgebiet in einer so großen Stadt bloß überleben? Man möchte es im Arm wiegen. Besonders schwer kann es ja nicht sein.
Leider ist das Geschäftsgebiet nicht nur klein, sondern liegt auch ziemlich weit draußen. Am nördlichen Ende der Stadt, abgeschieden wäre das Wort, während man selbst eher in den Süden wollte. Man steigt also zurück ins Auto und fährt nach Norden, durch die schmalen Gassen der Londoner Innenstadt, über psychedelische Kreuzungen und Kreisverkehre. Wie viel es dabei zu erleben gibt! Man lernt die aus dunklen Einfahrten unbeleuchtet hervorbrechenden Pizza-Motorroller kennen, die unvermittelt zurücksetzenden Lieferwagen, die querkreuzenden Blaulichtstreifen der Polizei. Nach einer Weile stellt man fest, schon selbst einer dieser spontan in der Straßenmitte wendenden Fahrer geworden zu sein, einfach weil das hier wegen der Staus dazugehört, wegen des Navigationskitzels und wegen der allgemeinen Lebensfreude. Irgendwann aber wird es ruhiger, man kommt durch Vororte und endlich dahin, wo es offener wird und luftig, wo sich der Blick hebt und alles fast schon ländlich wirkt. Dann ist man am Ziel und trifft beim sechsten Parkversuch tatsächlich die kleine Fläche des Geschäftsgebiets, man stellt den Motor ab und alles ist so still und riecht von draußen schon ein wenig nach Schaf, und während man sitzt und atmet, stellt man fest, glücklich zu sein: Zum ersten Mal hat man ein Auto vom Beifahrersitz aus gesteuert, durch Linksverkehr wie durch eine fremdvertraute spiegelverkehrte Landschaft – und man ist nicht mal dabei umgekommen. Man tritt hinaus auf den nächtlichen Asphalt, wie ein Seemann nach langer Fahrt wieder festen Boden betritt. Und ist so erfüllt von Adrenalin, dass man in seinem restlichen Leben wahrscheinlich nie wieder wird schlafen müssen.