Buchmesse London. Der Eyjafjallajökull ist ausgebrochen – ein Name, um jede verloren geglaubte Scrabblepartie zu drehen. Die Flüge gestrichen, sämtliche Züge durch den Tunnel ausgebucht. Also treffen wir uns am Sonntagmorgen an der Autovermietung, um uns auf eigene Faust durchzuschlagen.

In der Schlange grämen sich zwei gestrandete Spanierinnen über den Preis, da tritt ein Geschäftsmann aus Barcelona hinzu und freut sich, nicht alleine durchfahren zu müssen. Der Vulkan verbindet. Auch wir im Abenteuermodus.

Der Himmel von einem so strahlenden Blau, dass es nicht allein von den fehlenden Flugzeugen herrühren kann. Wenn das eine Aschewolke sein soll, hätte ich die gerne täglich. Nur aus den Kühltürmen der Braunkohleverstromung steigen blitzweiße Wolken auf, als wollten sie es dem Vulkan gleichtun. Die Frauen verteilen Schnittchen, ich ärgere mich, keine dabei zu haben.

L. fällt auf, dass Eigennamen beim Scrabble gar nicht zugelassen sind. Ab und an schnuppern, ob es schon nach Schwefel riecht. So müssen Entdecker sich gefühlt haben, bei der Ausfahrt, in Sichtweite zum Hafen.

In Calais reißt uns die Frau von der Autovermietung den Schlüssel aus der Hand, die Wagen müssen zurück auf die Straße, der europäische Markt sei leergefegt. Unsere Fähre ist längst auf dem Wasser. Wir hatten mit Auto reserviert, weil es anders nicht ging. Nun stellt sich heraus, dass vier Fußgänger alleine das Doppelte zahlen.

Auf dem Hafenwasser sammelt sich Schaum – endlich, die ausfallende Asche. Dabei ähneln eher die schwarzen Wolken aus dem Schornstein unserem Bild eines Vulkans. Auf See wieder Schnittchen. Ich halte meines in die Luft, bis sich eine dicke Möwe nähert, in der Luft zögert und unmittelbar vor meiner Hand wieder abdreht. Angst oder Abscheu vor dem Belag?

Man sollte niemals anders zu Buchmessen reisen. In diesen Tagen bleiben 1,2 Millionen Tonnen CO2 am Boden. Andererseits wurden gestern in Kenia 400.000 unverschickte Rosen eingestampft.

In den Kreidefelsen sitzen Dohlen, eine Trübung im strahlenden Weiß, aber auch das keine Asche. Taxi zum Bahnhof, am Telefon die heutigen Termine nach hinten schieben. Gab es nicht gerade in England einen großen Streit, weil die neuen Scrabble-Regeln Eigennamen zulassen? Die Grafschaft Kent zeigt sich von ihrer entzückendsten Seite: Auf den Weiden liegen hingestreut Schafe mit ihren neugeborenen Lämmern, von der Sonne geputzt wie Cumuli. Wie viele Wolken man an einem so wolkenlosen Tag zu sehen bekommt.

Umziehen in der Zugtoilette, zwei Autorenessen hintereinander. Nachts ins Hotel, der Portier findet keine Reservierung, immer wieder muss ich meinen Namen sagen wie ein Passwort. Wir sind beide keine Muttersprachler. Nach einer halben Stunde gibt er mir eine Kammer unterm Dach. Ich packe aus, was kaum möglich ist, so eng ist es hier. Zum Nachdenken stelle ich mich angezogen in die Dusche, um etwas Platz zu haben. Das Waschbecken so klein, dass ich die Hände einzeln wasche. Beim Einschlafen klingelt das Telefon, er habe sich geirrt, ob das Zimmer bereits in Benutzung sei. Allerdings! Morgens vor dem Fenster ein grüner Papagei, später führt mich ein stummer Angestellter ins Erdgeschoss, wo eine viktorianische Suite unbenutzt geblieben ist. Eyjafjallajökull sei Dank.